Ukraine, ein Jahr vor der EM

  • Nun ja, ich dachte, bevor im nächsten Jahr die Massen kommen, sollte ich vielleicht mal einen kurzen Abstecher in die Ukraine machen, zumal ich sowieso gerade im polnisch/slowakischen Grenzgebiet unterwegs war. Man braucht kein Visum mehr, der Reisepass genügt, also nichts wie los.

    Am slowakisch/ukrainischen Grenzübergang bei Uzhorod stand auf slowakischer Seite eine kilometerlange LKW-Schlange. Mein CS-KOMET (VW T5) geht als PKW durch, also vorbei an der Schlange und vorne bei den wenigen PKW eingereiht. Meine Hoffnung auf eine schnelle Abfertigung musste ich aber schnell beerdigen. Sowohl auf slowakischer Seite als auch auf ukrainischer Seite schlenderten die Damen und Herren Beamten lässig umher, nahmen hier und da den einen oder anderen Pass entgegen und verschwanden damit in ihren Häuschen. Ein junger Mann mit einer beeindruckenden Feuerwaffe am Hosenbund redete ausdauernd auf mich ein. Er sprach weder deutsch noch englisch, also verstand ich ihn nicht, was er wiederum nicht einsehen wollte. Er redete immer weiter und wurde ein wenig laut. Dann deutete er auf die seitliche Schiebetüre von meinem Auto und wurde noch lauter. Also öffnete ich die Türe, um ihn hineinschauen zu lassen. Aber er schaute nicht hinein sondern ging weg. Keine Ahnung, was der Auftritt sollte.

    Kurz und gut: Zumindest auf ukrainischer Seite sprach kein Beamter englisch oder deutsch, was für einen stark frequentierten Grenzübergang mitten in Europa und ein Jahr vor der Fussball - EM schon ein wenig ungewöhnlich ist. Die ganze Prozedur dauerte ungefähr zwei Stunden, dann hob sich der letzte Schlagbaum, und ich war in der Ukraine.

    Jetzt kamen die Geldwechsler. Sie versuchten, mich mit einem schamlos niedrigen Wechselkurs über den Tisch zu ziehen, also fuhr ich ohne einheimische Währung ins Land. Der Tank war ohnehin noch voll und ein Hotel oder Restaurant brauchte ich ja nicht.

    Mein Navi meldete sich ab, denn in seiner Welt gibt es die Ukraine nicht. Also verließ ich mich ganz altmodisch auf die Straßenschilder, auch wenn die gelegentlich in kyrillischer Schrift waren. Aber ich wollte ja nur mal kurz nach Lviv, früher Lemberg, und das konnte so schwierig ja nicht sein. War es eigentlich auch nicht, nur leider führten mich die Schilder auf eine Nebenstrecke, die schließlich zu einer Nebenpiste wurde mit Schlaglöchern, in denen ganze Kleinwagen verschwinden konnten. Streckenweise war nur Schrittgeschwindigkeit möglich, und der KOMET ächzte und stöhnte und insgeheim entschuldigte ich mich bei dem Auto und flehte es an, doch bitte durchzuhalten. Das Auto hielt durch, aber es wurde dunkel, und bei Dunkelheit war diese Piste nicht zu bewältigen. Also steuerte ich im nächsten Ort den Parkplatz neben einem ehemaligen Kino an, um dort die Nacht zu verbringen. Leider war der Parkplatz unbeleuchtet und wahrscheinlich gerade deshalb der Treffpunkt der örtlichen Jugend. Naja, was soll ich sagen, bis zum frühern Morgen war Leben auf dem Platz und wahrscheinlich wurde auch neues Leben gezeugt. So ist das nun mal. Jedenfalls waren sowohl ich als auch mein Auto am Morgen noch vollständig da und die Fahrt ging weiter Richtung Lviv. Die Straße wurde mal besser, aber oft auch schlechter, und als ich am Mittag endlich am Stadtrand von Lviv stand, wollte ich schon aufatmen, denn die Hauptstraße, die von der polnischen Grenze hierher führte, war offenbar nagelneu. Aber meine Freude währte nicht lange. Im Zentrum von Lviv, und da musste ich wohl durch, gab es Kopfsteinplaster mit Straßenbahnschienen mitten drin. Diese Mischung ist sensationell und für den unbeteiligten Betrachter vielleicht recht lustig. Für mich und mein Auto war das allerdings kaum zu bewältigen. Zum Glück stand der Verkehr mehr als dass er rollte, also konnte man sich langsam von Schiene zu Kopfstein und von Kopfstein zu Schlagloch voran tasten, immer den Rückspiegel im Blick, ob nicht doch eine Straßenbahn herangeschlängelt kam.

    Im Internet hatte ich einen Campingplatz entdeckt, der unweit vom Zentrum an der Hauptstraße Richtung Kiew liegen sollte. Es gab auch ein Hinweisschild, aber die Suche nach dem Platz war schließlich doch vergeblich. Ich habe mir dann kurz die Innenstadt von Lviv angeschaut und bin dann wieder Richtung Grenze gefahren, diesmal Richtung Polen und zwar auf einer wunderbar ausgebauten und teils nagelneuen Straße.

    Der Grenzübertritt nach Polen war langwierig und umständlich. Mein Auto wurde mehrmals durchsucht, seltsamerweise das kleine Handschuhfach besonders intensiv. Die "Schrankwand" hinten im Fahrzeug interessierte dagegen kaum. Aber so ist das wohl an der EU - Außengrenze. Man muss ja auch nicht alles verstehen.

    Hier im Niemandsland zwischen Polen und der Ukraine kostete die Flasche Wodka übrigens 2 Euro. Gut, am nächsten Morgen hatte ich so ein Blindheitsgefühl um die Augen :winking_face: Aber das konnte auch andere Ursachen haben.

  • Danke für den Bericht. Da weiss ich schon mal wo ich nicht hinfahren muß.

  • In die Ukraine würde ich nicht fahren, selbst wenn ich Geld dafür kriegen würde!
    Es gibt im westlichen , südlichen Europa noch so viele sehenswerte Ziele, das meine Restlaufzeit nicht ausreichen wird, diese alle zu sehen!
    Und Fussball ist der allerletzte Sport, für den ich Geld ausgeben würde, wo auch immer :grinning_squinting_face:

  • Also, man sollte aus meinem kleinen Bericht nicht folgern, dass man niemals in die Ukraine fahren kann. Die kommende Fußball - EM wird sicher einiges zum Guten wenden. An den Straßen wird sowieso schon heftig gebaut, und vielleicht verbessert sich auch der Bildungsstand des Grenzpersonals.

    Ich gebe zu bedenken, dass sich Top - Sehenswürdigkeiten in der Ukraine befinden, z.B. die Stadt Odessa und die Krim. Ich für meinen Teil werde vielleicht im Jahr nach der EM, also 2013, nochmal einen Anlauf nehmen.

  • Hallo,

    Danke für Deinen Reisebericht.

    Vor etwa 15 Jahren war ich mal in der Ukraine. Damals allerdings per Flugzeug.
    Wenn ich ausreichend Zeit hätte, würde ich auch mal mit dem Womo dort hin fahren. Landschaftlich und von den Bewohnern her hat mir die Ukraine sehr gut gefallen.

    Gruss Uwe

    mit Wohnmobil und Fahrrad unterwegs

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